"Die Klimakrise ist eine Wasserkrise"
COP28 Leadership Interview mit Georg Weber, Mitglied des Vorstands und CTO der Wilo Gruppe.
Mehr als 70 Prozent unseres Planeten sind mit Wasser bedeckt. Die weltweiten Trinkwasserressourcen sind jedoch begrenzt, denn nur drei Prozent des globalen Wassers sind tatsächlich trinkbar. Durch den Klimawandel wird der Zugang zu dieser knappen Ressource von Tag zu Tag schwieriger. Aus diesem Grund setzen wir uns dafür ein, das grundlegende Menschenrecht auf Wasser zu schützen und eine zuverlässige Wasserversorgung für möglichst viele Menschen auf der Welt sicherzustellen. Im Rahmen der UN-Klimakonferenz COP28 in Dubai war Georg Weber, Vorstandsmitglied und CTO der Wilo Gruppe, für die Reihe COP28 Leadership Interviews bei Laura Buckwell zu Gast. Er beschrieb, wie wir uns für eine nachhaltigere Zukunft einsetzen, wie Wasser unseren Alltag bestimmt und welche Projekte wir zur nachhaltigen Nutzung dieser lebenswichtigen Ressource umsetzen. Lesen Sie jetzt das Interview oder sehen Sie sich alternativ hier das Video dazu an.
Buckwell: Der Klimawandel hat nicht nur Auswirkungen auf die Wasserressourcen selbst – die steigenden Temperaturen stören auch den gesamten Wasserkreislauf. Die Wilo Gruppe ist einer der führenden Anbieter von Pumpen und Pumpensystemen. Ihre Produkte bewegen Wasser intelligent, effizient und klimafreundlich. Das Unternehmen hat sich die Entwicklung und Bewirtschaftung nachhaltiger Wasserlösungen, die allen Menschen überall zugutekommen sollen, zum Ziel gesetzt. Für die COP28-Interviews hier in Dubai habe ich heute den CTO der Wilo Gruppe, Georg Weber, zu Gast.
Wir sind hier auf der UN-Klimakonferenz, der COP28. Willkommen in Dubai. Beschreiben Sie uns doch Ihren ersten Eindruck.
Weber: Es ist ein unglaublicher Anblick, der sich hier bietet. Keine Mühen werden gescheut. Es ist beeindruckend, zu hören, dass 70.000 Menschen hierher kommen werden. Es ist wirklich eine fantastische Veranstaltung. Und für uns ist es natürlich toll, hier zu sein und uns mit Menschen auszutauschen, die sich für die nachhaltige Gestaltung unserer aller Leben interessieren.
Buckwell: Aus welchem Grund sind Sie hauptsächlich hergekommen? Was hat Sie hierher geführt?
Weber: Wir sind ohnehin in der Region präsent. Hier in Dubai haben wir eine hervorragende Repräsentanz mit einem großen Team, das sich um die MENA-Region (Middle East und North Africa, Anmerkung der Redaktion) kümmert. Mit unserer Präsenz hier verfolgen wir verschiedene Ziele. Zum einen Networking – wir möchten Menschen kennenlernen, die sich im Kampf gegen Wassermangel, für die Einsparung von Energie und für Ernährungssicherheit engagieren. Aber wir versuchen auch, mit Politikern, NGOs und verschiedenen Partnern ins Gespräch zu kommen, denn um die Welt wirklich zu verbessern, müssen wir alle zusammenarbeiten.
Buckwell: Erzählen Sie uns ein wenig mehr über Ihre Rolle als CTO von Wilo.
Weber: Ich leite die Aktivitäten der R&D-Abteilung (Forschung & Entwicklung, Anmerkung der Redaktion). Dazu verantworte ich die industriellen Aktivitäten, das operative Geschäft und die Lieferkettenlogistik. Darüber hinaus bin ich innerhalb der Wilo Gruppe aber auch als Botschafter und Schirmherr für Nachhaltigkeit im Einsatz.
„Wir bewegen Wasser auf die denkbar effizienteste Weise. Unsere Ingenieure streben nach den höchstmöglichen Wirkungsgraden.“
Buckwell: Wie ich gelesen habe, ist die Zielsetzung des Unternehmens, nachhaltige Lösungen für die Wasserwirtschaft zu entwickeln. Erklären Sie uns ein wenig genauer, was Sie tun.
Weber: Wir bewegen das lebenswichtige Medium Wasser. Und das auf die effizienteste Art und Weise, die man sich vorstellen kann. Pumpen von Wilo sind die effizientesten Pumpen weltweit. Das ist es auch, was wir erreichen wollen. Unsere Ingenieure arbeiten unermüdlich an der Entwicklung höchstmöglicher Wirkungsgrade. Das ist die eine Seite. Auf der anderen Seite entwickeln wir Wasserlösungen für die Menschen – für alle Menschen auf der Welt.
Stellen Sie sich ein Leben ohne Wasser vor. Überlegen Sie: Sie könnten sich nicht die Hände waschen, nicht duschen. Es gäbe kein Essen, Sie könnten nicht kochen, und so weiter. Wasser ist überall. Wasser ist auch wichtig für die Industrie. Es ist ein Teil unseres Alltags und unseres Lebens. Und ohne Wasser könnten wir nicht überleben. Daher ist es unser Ziel, diese Ressource auf die effizienteste Weise bereitzustellen.
„Der Klimawandel ist im Wesentlichen eine Wasserkrise.“
Buckwell: Wenn wir hier den Bogen zum Klimawandel und zur Rolle von Wasser schlagen: Könnten Sie zusammenfassen, wieso Wasserwirtschaft so ein wichtiges Thema ist? Wieso müssen wir uns jetzt auf Wasserwirtschaft konzentrieren? Und welche Auswirkungen hat der Klimawandel auf die Wasserwirtschaft?
Weber: Der Klimawandel ist im Wesentlichen eine Wasserkrise. Wir sehen das tagtäglich. Gewitter und Hurrikans wüten über die Welt. Die Eisflächen schrumpfen, Wasserstände steigen. Wir kämpfen gegen Waldbrände und Dürren. Der Klimawandel hat enorme Auswirkungen auf unser Leben. Und in den letzten Jahren haben sich diese immer weiter verstärkt. Im Laufe der nächsten Jahre wird sich diese Krise weiter verschärfen. Dies wird die Wasserversorgung vor neue Probleme stellen und den Druck weiter erhöhen.
Letztlich ist auch die Lebensmittelversorgung dadurch gefährdet. Schon jetzt verschärfen sich die Probleme im Hinblick auf die Wasserversorgung. Aber Wasser ist ein Menschenrecht. Dennoch haben Milliarden Menschen keinen gesicherten Zugang zu Trinkwasser. Es bleibt also noch viel zu tun, um die Wasserwirtschaft nachhaltig zu gestalten. Wir engagieren uns stark in den Bereichen nachhaltige Wasserwirtschaft, Energieeffizienz, Wassertransport und Abwasserbehandlung. Der Klimawandel wirkt sich natürlich auch auf die Wasserversorgung aus. Je weniger Wasser verfügbar ist, desto stärker ist auch die Ernährungssicherheit gefährdet. Klimawandel, Wasserknappheit und die zunehmende Bedrohung der Ernährungssicherheit stehen also in einem direkten Zusammenhang.
„Wasser schert sich nicht um Grenzen. Die Länder und Regierungen müssen in Bezug auf Wasser interagieren und zusammenarbeiten. Deshalb brauchen wir eine globale Wasserpolitik und grenzüberschreitende Wasserstrategien.“
Buckwell: Wilo ist ein globales Unternehmen. Sie sind auf vielen verschiedenen Kontinenten präsent. Worin bestehen derzeit die größten Herausforderungen? Welche Bereiche geben Anlass zur Sorge?
Weber: Ein bedeutendes Thema ist die unzureichende Investition in den Bereich Schmutzwasser. Wir müssen mehr für den Schutz gegen Undichtigkeiten bei Ableitungen tun. Wir haben die Technologie, um solche Probleme zu lösen und Lecks in Wassersystemen aufzuspüren und zu schließen. Diese Technologie muss flächendeckend eingesetzt werden. Zweitens bedarf es einer globalen Wasserpolitik. Wir brauchen Strategien, die viele Länder noch nicht haben. Beim Thema Wasser ist es unerlässlich, dass Länder und Regierungen sich miteinander abstimmen und zusammenarbeiten. Denn Wasser schert sich nicht um Landesgrenzen. Deswegen müssen wir grenzüberschreitende Wasserstrategien entwickeln.
Buckwell: Wie gehen Sie die Herausforderungen an, die sich aus den fünf Megatrends Wasserknappheit, Energieknappheit, Globalisierung, Urbanisierung und, der größte, Klimawandel ergeben?
Weber: Eine sehr gute Frage, denn es ist verblüffend, wie schnell und dynamisch sich diese Megatrends entwickeln. Vor 151 Jahren, als Wilo gegründet wurde, waren diese Entwicklungen noch unvorstellbar. Die Megatrends sind maßgebliche Faktoren für die Definition unserer Unternehmensstrategie. Wir haben als Vorstand beschlossen, dass die Unternehmensstrategie ab sofort auf unserer Nachhaltigkeitsstrategie basiert. Folglich leiten wir die wichtigsten Maßnahmen aus unserer Nachhaltigkeitsstrategie ab – zum Beispiel die Produktentwicklung.
Wir prüfen das Portfolio auf die nützlichsten Produkte. Dann untersuchen wir, welche weiteren Maßnahmen wir ergreifen müssen, z. B. hinsichtlich der Vernetzung. In diesen Prozess beziehen wir auch unsere Lieferanten ein. Wir prüfen, inwieweit sie uns unterstützen können und ob sie unseren Anforderungen im Bereich Nachhaltigkeit gerecht werden. Als Gewinner des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2021 und der EcoVadis Platinum-Medaille sind wir sehr bestrebt darin, das Thema Nachhaltigkeit voranzutreiben. Und wir möchten, dass unsere Geschäftspartner unserem Beispiel folgen. Außerdem investieren wir auch gemeinsam mit NGOs, Regierungen und verschiedenen Einrichtungen in spezielle Projekte, um so das Thema Nachhaltigkeit partnerschaftlich anzugehen.
Buckwell: Denn Partnerschaften sind entscheidend, um Veränderungen voranzutreiben.
Weber: Ganz genau. Wir sind uns dessen bewusst und erkennen dies ebenso an wie die Anforderungen, die sich aus diesen Partnerschaften ergeben. Es gibt mittlerweile immer mehr Wasserprojekte. Die Regierungen erkennen also, dass sie etwas tun müssen.
„Technologie und Innovation sind der Schlüssel, um Lösungen für globale Herausforderungen zu finden. Mit intelligenten Bewässerungssystemen helfen wir, Wasser zu sparen und einen verantwortungsvollen Umgang mit dieser lebenswichtigen Ressource zu ermöglichen.“
Buckwell: Natürlich sind Technologie und Innovation oft die ultimativen Lösungen für aktuelle oder absehbare Herausforderungen. Wilo verfügt über eine enorme Innovationskraft. Sie stellen unglaubliche Technologien bereit. Was kommt als nächstes? Wohin entwickelt sich die Technologie? Integrieren Sie verschiedene, neue Technologien, die Sie uns vorstellen möchten?
Weber: Ganz genau. Das, was uns bei diesen Herausforderungen wirklich helfen kann, ist Technologie. Dass ich als Ingenieur das sage, liegt natürlich auf der Hand. Aber betrachten wir einmal zum Beispiel das Thema Bewässerung. Wir arbeiten derzeit an mehreren Projekten, bei denen wir mithilfe von Sensoren die Feuchtigkeit des Bodens ermitteln. Diese Technologie hilft, Pflanzen mit genau der richtigen Menge Wasser zu versorgen. Mit intelligenter Bewässerung sorgen wir für die Einsparung großer Mengen Wasser. Die Projekte finden vorrangig in Ländern statt, die schon jetzt mit Wassermangel kämpfen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Effizienz. Überwachungssysteme, wie eine Dichtigkeitsüberwachung, sind gerade im Hinblick auf größere Pumpennetzwerke innerhalb eines Versorgungssystems wichtige Anwendungen zur Sicherstellung der Effizienz. Wenn wir schon beim Thema Pumpen, Energie und dem Megatrend Energieknappheit sind: Pumpen verbrauchen 10 Prozent des weltweiten Stroms. Viele Menschen wissen das nicht, da Pumpen meist eher im Verborgenen arbeiten. Weil aber 80 bis 90 Prozent der betriebenen Pumpen veraltet und ineffizient sind, liegt hier ein enormes Potenzial zur Einsparung von Energie. Pumpen laufen ständig und sind damit ineffiziente Energieverbraucher. Einige Experten schätzen, dass wir bis zu 250 Terawattstunden Energie einsparen könnten, wenn wir alle diese Pumpen auf einmal ersetzen könnten. Das entspricht der Leistung von 80 Kohlekraftwerken. Das ist eine beträchtliche Summe. Aber natürlich braucht ein solches Vorhaben Zeit – und Menschen, die sich dieser Tatsache bewusst sind.
Buckwell: Erzählen Sie uns von Ihren Zielen für die nächsten fünf Jahre. Was erhoffen Sie sich in den nächsten fünf Jahren? Und wo soll Wilo dann stehen?
Weber: Wir haben uns das Ziel gesetzt, in den nächsten fünf Jahren rund 100 Millionen Menschen einen Zugang zu Trinkwasser zu verschaffen. Wir sind entschlossen, dieses Ziel durch unseren Beitrag in den Bereichen Pumpentechnik, Infrastruktur und Technologie mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln zu erreichen. Das ist eines unserer Hauptziele. Außerdem haben wir uns klare Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Intern wollen wir unsere Scope-1- und Scope-2-Emissionen um 50 Prozent reduzieren. Darüber hinaus wollen wir die Scope-3-Emissionen, die sich aus dem Pumpenbetrieb ergeben, um 25 Prozent verringern. Daneben haben wir uns zahlreiche weitere Nachhaltigkeitsziele gesetzt. Wir wollen auf diese Weise zu einer besseren Welt für alle Menschen beitragen.
Buckwell: Wir bedanken uns vielmals dafür, dass Sie heute gekommen sind. Vielen Dank, dass Sie uns von Ihrer unglaublichen Arbeit bei Wilo berichtet haben. Wir wünschen Ihnen alles Gute für die Zukunft und Ihre Bemühungen um Wasserlösungen und nachhaltige Lösungen für alle. Vielen herzlichen Dank.
Weber: Ich bedanke mich auch vielmals für das Gespräch. Es war mir ein Vergnügen. Vielen Dank.