Orkney: Grüne Inseln, grüner Wasserstoff
Die schottischen Orkney Islands haben ihre Energiewende längst vollzogen: Mit Wind-, Wellen- und Gezeitenkraft produzieren sie mehr Strom als sie selbst benötigen. Damit dieser nicht verloren geht, setzen die Inseln auf grünen Wasserstoff. Den nutzen sie unter anderem als Treibstoff für Autos, Fähren und Flugzeuge.
Dieser Text ist Bestandteil des Wilo-Geschäftsberichts 2022.
Auf dem Weg zum Wasserstoff-Flugzeug
19. Januar 2023, Flughafen Gloucestershire, England: Das zweimotorige Flugzeug vom Typ Dornier 228 rollt auf die Startbahn und hebt ab. Sein linkes Triebwerk wird nicht, wie üblich, mit Kerosin betrieben, sondern mit Wasserstoff. Nach wenigen Minuten setzt das Flugzeug wieder auf. Der Jungfernflug des 19-Sitzers ist erfolgreich abgeschlossen. Acht Wochen vorher, 100 Kilometer weiter südlich: Auf dem Militärflughafen Boscombe Down testen der Motorenhersteller Rolls-Royce und die Fluggesellschaft Easyjet ein Triebwerk mit Wasserstoffantrieb im Bodentest. An beiden Projekten zum Einsatz von grünem Wasserstoff in der Luftfahrt beteiligt: die Forschungseinrichtung European Marine Energy Centre (EMEC). Diese hat ihren Sitz auf den Orkney-Inseln vor der nordöstlichen Spitze Schottlands. Und das ist kein Zufall.
Grüner Strom dank Wind, Wellen, Ebbe und Flut
Hohe Wellen, ein schneidender Wind und extreme Gezeitenströmungen – all das nutzen die Bewohner der Orkney-Inseln schon seit vielen Jahren, um daraus grünen Strom zu produzieren. Der Archipel vor der nordöstlichen Spitze Schottlands besteht aus mehr als 70 Inseln. Auf den 20 bewohnten Inseln leben insgesamt rund 22.000 Menschen, oftmals „Orkadier“ genannt. Sie profitieren davon, dass die britische Regierung die Inselgruppe im Jahr 1980 zu einer Testregion für Windenergie erklärte. Mehr als 700 Windräder treiben Stromgeneratoren an. Hinzu kommen Anlagen, die die Kraft aus Wellen, Ebbe und Flut nutzen. Dabei entsteht so viel Strom, dass die Inselbewohner sich damit komplett selbst versorgen und diesen auch auf das Festland exportieren können. Sie nutzen dafür ein altes Unterseekabel, das sie früher mit Strom versorgt hat. Die Kapazitäten dieses Kabels sind jedoch begrenzt.
Grüner Wasserstoff als Stromspeicher
Die Energie, die die Orkadier weder selbst nutzen noch an das Festland liefern, droht zu verpuffen. Damit das nicht geschieht, produzieren die Inselbewohner grünen Wasserstoff. Das ist Wasserstoff, der mit regenerativ erzeugtem Strom durch Elektrolyse aus Wasser hergestellt wird. Mithilfe der grünen Technologie entsteht ein nachhaltiger Energieträger, der ohne den Einsatz fossiler Rohstoffe auskommt. Und das Gas hat noch weitere Vorteile: Es lässt sich speichern und transportieren und kann damit einen wichtigen Beitrag zur Energiesicherheit leisten. Darüber hinaus eignet es sich auch als Grundstoff für Ammoniak, das in vielen Industriezweigen benötigt wird.
Vorreiterrolle in Europa
Beim grünen Wasserstoff nehmen die Orkney-Inseln eine Vorreiterrolle in ganz Europa ein. Die haben sie sich selbst erarbeitet: Ihre Bewohner beschäftigen sich seit vielen Jahren intensiv damit, wie sie ihre erneuerbare Energie am besten nutzen und speichern können. Deshalb haben dort bereits im Jahr 2003 mehrere öffentliche Institutionen das European Marine Energy Centre gegründet. Dabei handelt es sich um ein Forschungszentrum für Energie aus Wellen- und Gezeitenkraft, das jetzt auch an den Flugzeugtests im Süden Englands beteiligt war. Im Jahr 2009 hat die Inselgemeinschaft eine nachhaltige Energiestrategie beschlossen. Das Ziel: langfristig eine bezahlbare und effiziente Energieversorgung sicherzustellen und den CO2-Fußabdruck der Inseln zu verringern. Im Jahr 2017 haben die Orkadier ihre Strategie für den Zeitraum bis 2025 überarbeitet. Die Vision einer sicheren, nachhaltigen und kohlenstoffarmen Inselwirtschaft mit Fokus auf Innovationen in der Energieversorgung steht jetzt im Fokus. Bestandteil dieser Vision ist auch eine Wasserstoffstrategie. Darin ist festgeschrieben, wie das Gas eingesetzt werden kann.
Warme Schule dank Wasserstoff
Der Strategie gingen konkrete Taten voraus: Bereits 2015 startete das EMEC auf seinem Gezeitentestgelände auf der Orkney-Insel Eday das Pilotprojekt „Surf’n’Turf“. Das Kraftwerk nutzte die Energie aus Ebbe und Flut, um Wasserstoff zu produzieren. Diesen transportierten speziell entwickelte LKW in die Orkney-Hauptstadt Kirkwall. Dort diente er als Energiequelle für die Fähren im Hafen. Das Folgeprojekt „Big Hit“ zielte darauf ab, auf den Orkney-Inseln ein grünes Wasserstoff-Energiesystem zu entwickeln. Die Inselbewohner verfolgen also einen integrierten Ansatz, mit dem sie Wasserstoff erzeugen, speichern und transportieren können, um ihn anschließend für Wärme, Strom und Verkehr zu nutzen. Der Wasserstoff, der im Rahmen des Projekts entstand, diente unter anderem zur Wärmeversorgung einer Schule und als Treibstoff für Fahrzeuge der Stadtverwaltung. Mit „Big Hit“ schafften die Orkney-Inseln den Schritt zu einem der ersten Standorte weltweit, an denen Anlagen über die gesamte Wertschöpfungskette des Wasserstoffs zum Einsatz kamen.
Neue Forschungsfelder: Künstliche Intelligenz und synthetische Kraftstoffe
Die Erfahrungen aus diesen und weiteren Projekten haben auf den Inseln ein breites Wissen zum Thema Wasserstoff geschaffen, das in ganz Großbritannien und auch darüber hinaus gefragt ist. Etwa bei den beiden Flugzeugtests: Beim Rolls-Royce-Test stammte der Wasserstoff aus der EMEC-Produktions- und Gezeitentestanlage auf der Orkney-Insel Eday. Für das Betanken der Dornier 228 in Gloucestershire stellte das EMEC ein mobiles Wasserstoffbetankungssystem bereit. Damit hat das Institut demonstriert, wie eine Bodeninfrastruktur aussehen kann, mit der sich Wasserstoff erzeugen, speichern und betanken lässt. Und die Forscher auf der Inselgruppe haben schon die nächsten Projekte in der Pipeline: So testet das Institut derzeit unter anderem, wie die Wasserstoffproduktion auf der Insel mithilfe Künstlicher Intelligenz optimiert und wie synthetische Treibstoffe auf Kohlenwasserstoffbasis für Flugzeuge produziert werden kann.
Grüner Wasserstoff weltweit ein Trend
Mit grünem Wasserstoff haben die Orkney-Inseln schon früh einen Trend erkannt, mit dem sich aktuell Unternehmen und Regierungen rund um den Globus beschäftigen. Auch in Deutschland ist das Interesse an dem regenerativen Energieträger groß: Der multinationale Technologiekonzern Wilo hat im vergangenen September mit dem H2POWERPLANT eine eigene Wasserstoffanlage am Unternehmenshauptsitz auf dem Wilopark in Dortmund in Betrieb genommen. Wie sich grüner Wasserstoff erzeugen lässt, ist weltweit ein Thema. Wenn es um Technik und innovative Anwendungsmöglichkeiten geht, ist viel Wissen an der Nordspitze Schottlands konzentriert.
Grüner Wasserstoff: Energiewende auf den Orkney-Inseln
Die Orkney-Inseln im Norden Schottlands produzieren Strom aus Wind-, Wellen- und Gezeitenkraft – mehr als sie selbst nutzen können. Überschüssige Energie setzen sie ein, um damit grünen Wasserstoff herzustellen. Eine Schlüsselrolle spielt dabei das Forschungszentrum European Marine Energy Centre (EMEC), das bereits im Jahr 2003 auf den Inseln gegründet wurde. Mit seiner Hilfe haben die Bewohner der Insel bereits zahlreiche Projekte umgesetzt und dabei umfassendes Wissen zu grünem Wasserstoff aufgebaut. Dieses Wissen nutzen sie etwa, um mit Wasserstoff als Antriebsquelle für Flugzeuge zu experimentieren. Sie nehmen damit eine Vorreiterrolle für ganz Europa ein.